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Hautnah: Eunyoung Esther Kim
Über Kompositionsprozesse
"Ich komponiere vor allem, weil es mir Spaß macht. Beim Komponieren habe ich die Freiheit etwas ganz Neues auszuprobieren; ich kann mit musikalischem Material experimentieren, indem ich es nach meinen Interessen aussuche und neu gestalte, d. h. Teile umstelle, etwas ergänze oder auslasse und so eine neue Struktur finde. Das, was als Komposition schließlich gültig wird, sollte in sich schon Neues bergen. Bei dem Versuch zu kom-ponieren entsteht immer wieder etwas Neues, unabhängig davon, welche Techniken gewählt werden. Die Frage, wie persönlich ein Stück ist, hängt nicht nur von Technik ab, sondern davon, auf welche Weise ein Werk zusammengesetzt wird."
"Zu Beginn eines jeden Kompositionsprozesses bin ich glücklich und traurig zugleich. Denn einerseits habe ich dann die große Freiheit bei der Gestaltung des Werks hinsichtlich der verschiedenen Kriterien wie z.B. Stil, Form, Länge, Stimmung, Tonmaterial, Thema usw. Eine Auswahl aus der riesigen Materialpalette zu treffen und der Umgang mit dem ausgewählten Material liegen vollkommen bei mir - alles ist offen und ich bin voller Erwartung. Andererseits ist dies aber auch der Zeitpunkt an dem ich als Komponistin am meisten leide. Denn ich kann nicht ‚nur' in Gedanken musikalisch experimentieren, sondern muss dann auch beginnen, alles zu realisieren, indem ich es auf dem Notenpapier fixiere. Bis ich den allerersten Takt vollendet habe, dauert es manchmal ein Viertel der gesamten Arbeitszeit, die ich auf eine Komposition verwende. Aber wenn ich aus diesem langen, dunklen Tunnel herauskomme, dann geht alles weitere viel schneller und besser."
"Zu Beginn des Komponierens steht zunächst die Recherche nach Material über die Instrumente selbst, das beinhaltet Musik hören, Bücher und Partituren lesen. Daraus ergibt sich die Suche nach verschiedenen Grundmotiven. Anschließend beschäftige ich mich mit der Struktur des Stücks, dabei versuche ich zuerst, mir mittels Worte und/oder einer graphischen Darstellung einen Gesamtüberblick zu verschaffen - vergleichbar mit einer Skizze. Der Arbeitsprozess vollzieht sich immer vom Ganzen zum Detail. Schließlich folgt die Konkretisierung des Entwurfs durch die Fixierung auf dem Notenpapier."
"Spieltechnik sollte nicht im Vordergrund meiner Musik stehen. Spieltechnik dient einem bestimmten Ausdruckszweck, aber sie ist für mich kein Maßstab bei der Frage, wie gut oder neu ein Werk ist."
Über Musik und Werk
"Jedes gute Werk entwickelt eine Eigendynamik. Meine Aufgabe als Komponistin ist es, diese Eigendynamik einzurichten. Daher suche ich immer nach der besten Konsequenz, die sich aus einem vorhergehenden Takt bzw. einem vorhergehenden Abschnitt ergibt. Jedes Moment wird nach allen Seiten gewendet, bevor es eine endgültige Form erhält. Das ist für mich ein Teil der Suche nach Musik, nach Komposition. Dafür lese ich das, was ich geschrieben habe, immer wieder durch, um einen möglichst fließenden und in sich logischen Ablauf zu erhalten. Erst dann kann meines Erachtens ein Werk für sich selbst stehen."
"Musik sollte in jedem Moment Energie enthalten. Der Begriff ‚Energie' ist dabei nicht in einem esoterischen Sinn zu verstehen, sondern er ist physikalisch gemeint. Denn wenn sich etwas bewegen soll, dann benötigt man Energie. Aus dieser einfachen Tatsache heraus ergibt sich für mich eine Korrespondenz von Musik und Energie. Diese Energie wird durch die verschiedenen Parameter der Komposition hergestellt, z.B. durch Tonhöhe, Dynamik, Rhythmus, Melodie, Klangfarbe oder die Dichte des musikalischen Satzes. Auch die traditionelle Harmonielehre basiert auf Formen solcher Energie. So strebt z.B. traditionell die Dominante zur Tonika, der Leitton zum Grundton. Im 20. Jahrhundert erhielten viele Komponistinnen und Komponisten ihre Anregungen aus Literatur und Bildender Kunst. Mir scheint, dass die Zeit gekommen ist, aus den engeren Kunstbegriffen auszubrechen und sich bei den Naturwissenschaften umzusehen. Die Art und Weise, wie ich meine Musik beschreibe, ist in hohem Maße von den Naturwissenschaften und ihren Termini geprägt, insbesondere von der Physik. Sie ist immer wieder eine Inspirationsquelle, aus der ich neue Gedanken, neue Ideen für meine Kompositionen gewinne."
"Viele meiner Kompositionen basieren auf Zentraltönen. Der Reiz des Komponierens mit einem Zentralton besteht unter anderem darin, dass man den Ton aus immer neuen Perspektiven betrachten kann. Der Ton bekommt Sinn, indem er über eine lange Zeitspanne durch klangfarbliche Änderungen, durch unterschiedliche Schwingungen, Verzierungen etc. betrachtet worden ist. Es geht also darum, ein Maximum an Ausdrucksvariabilität über einen einzigen Ton zu erreichen."
"Mein Lieblingston ist das h."
"Der Titel ‚Resonanz' bezieht sich auf das Vergangene und auf das Zukünftige. Resonanz als Wiederklingen und Zurückklingen betrachtet das Vergangene in einem immer neuen Licht, und bewahrt es auf diese Weise. Überhaupt sind für mich zeitliche Begriffe, wie z.B. das Erinnern äußerst wichtige Begriffe, weil ich Musik eher horizontal und weniger vertikal denke. Resonanz ist der musikalische Begriff für Erinnerung. Zudem hat Resonanz auch eine räumliche Komponente, so dass das Wort die beiden Grundparameter des Komponierens, Raum und Zeit, in sich trägt."
Über die Verbindung zwischen Komponist und Zuhörer
"Wenn ein Stück entstanden ist, dann stellt dies meiner Meinung nach schon den Beginn einer Art Kommunikation zwischen dem Hörer und mir dar. Mittels der Musik kann ich das äußern, was sonst mit Worten nur sehr schwer zum Ausdruck kommen würde. In dieser Hinsicht ist für mich Musik eine besondere Art von Sprache."
"Für mich ist Komposition Botschaft. Mit einem neuen Klangbild lassen sich auch neue Aspekte aufzeigen. Der Begriff des neuen Klangbildes bezieht sich dabei nicht auf Kompositions- und Spieltechniken, sondern auf das Erleben und Empfinden. Ich möchte in den Menschen Empfindungen wecken, von denen sie bislang überhaupt nicht wussten, dass sie sie in sich tragen."
"Musik ist ein natürliches Bedürfnis aller Menschen, um sich auszudrücken. Ausdruck und Identität ergänzen sich gegenseitig. Indem man sich musikalisch ausdrückt, findet man seine Identität. Um eine eigene Identität nach außen zu tragen, ist es notwendig, dass man sich ausdrücken kann. Im Interpretieren von Musik zeigt sich eine bestimmte Identität eines Musikers bzw. einer Musikerin. Jedes Werk ließe sich daher auf so viele verschiedene Arten interpretieren, wie es Menschen gab und gibt. Identität zeigt sich aber ebenso im Hören von Musik, z.B. wenn Menschen bestimmte Musikwerke für sich aussuchen. Musik ist demnach eine wesentliche Quelle für Identität und zugleich ihr Ausdruck."
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